# 13 Stammhalter
Eines muss ich vorausschicken: unsere drei Monate alten Zwillinge Emma und Eric sind die schönsten, liebsten und besten Geschöpfe auf diesem Planeten. Dass ich derzeit wegen der Aufzucht des geliebten Nachwuchses am Rande des Burn-Out stehe, meine Hände zittern und Sophie einmal pro Tag einen Weinkrampf bekommt, ändert absolut nichts daran.
Wir werden das schaffen, wir werden diese Aufgabe gemeinsam meistern, außerdem hat Sophie gedroht, ein amerikanisches Killerkommando auf mich anzusetzen, sollte ich mich aus dem Staub machen.
Und ich bin hier: 24 Stunden pro Tag, sieben Tage die Woche. Da beginnt man zu grübeln. Was wird einmal aus diesen beiden Bündeln Leben? Werden sie mich bewundern, werden sie meinem Namen Ehre machen oder hätte ich doch das Risiko der amerikanischen Kopfgeldjäger auf mich nehmen sollen? Welche Berufe werden sie in naher Zukunft ergreifen und ab wann können sie meine Miete zahlen?
Vom finanziellen Standpunkt her wäre eine Karriere als Arzt oder Jurist sicher gut. Wenn ich mir aber die Schüler meiner Abschlussklasse ansehe, dann schlugen nur die phantasielosesten diesen Karriereweg ein. Die größte Dumpfbacke unserer Klasse ist heute Zahnärztin und der Junge, neben dem damals niemand sitzen wollte, ist Notar geworden. Heute ist der Beifahrersitz seines Porsches erstaunlicherweise immer besetzt, aber diese jungen Frauen kannten ihn halt nicht, als er noch in die Schule ging.
Natürlich, es gibt Schlimmeres. Die beiden könnten Fußballspieler, Neonazis oder Schönheitschirurgen werden. Wobei ein Neonazi immerhin behaupten kann, er sei als Baby vom Wickeltisch gefallen. Einem Schönheitschirurgen glaubt das niemand.
Wie wäre es mit Musiker oder Schriftsteller? Oh nein, ich kenne da einen begabten Burschen mit absolutem Gehör, der sein Dasein als Leadgitarrist einer ABBA-Cover Band fristet, und Schriftsteller ist noch schlimmer als Anwalt. Diese Autoren sind Menschen, die sich in der Öffentlichkeit selbst befriedigen und dann noch auf Applaus warten.
Straßenbahnfahrer? Zu viele Menschen.
Gärtner? Zu viele Insekten.
Installateur? Ja, aber ohne polnische Staatsbürgerschaft nimmt dich da niemand ernst.
Versicherungsmathematiker? Ach, das war nur ein Scherz.
Lehrer? Mieses Image.
Papst? Indiskutable Arbeitskleidung.
Je länger ich darüber nachdenke, desto klarer wird die Sache für mich. Meine beiden Süßen sollen doch in die Fußstapfen ihres Vaters treten und ebenfalls Gebrauchsanweisungen übersetzen. Es müssen ja nicht nur Artikel aus der Erotikecke sein.
Erst letztens habe ich die Übersetzung der Gebrauchsanweisung einer italienischen Kaffeemaschine studiert. Ohne das Produktbild auf dem Infoblatt hätte man auch denken können, es handelt sich um Bin Ladens Tagebuch oder eine Bauanleitung für Sprengsätze.
Ich meine, diese Übersetzerei ist zwar schlecht bezahlt, hat aber einen sozialen Mehrwert. Damit kann man Menschen wirklich helfen und die Hälfte des Jahres ist man sowieso arbeitslos. Also…
Moment. Wo sind meine beiden Lieblinge? Eben lagen sie noch auf dem Wickeltisch!